
Kongressbeitrag
„You can’t go wrong getting strong?“ (S-09)
- 16.09.2023 | 13:00 - 13:45
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Messehalle 6 - Kongressraum Düsseldorf
Kurzbeschreibung
Zutritt mit Kongressticket möglich.
Fortbildungspunkte / Übungseinheiten: 1
Beschreibung
Einleitung und Hypothese: Krafttraining ist in der modernen Physiotherapie und Rehabilitation ein häufiges Mittel, um die Belastbarkeit von Patient:innen zu steigern, Kraft aufzubauen und z.B. Osteoporose vorzubeugen. Um höhere Leistungen zu erbringen, wird beim Training mit Kettlebells und Langhantel das sogenannte Bracing oder Valsalva-Atmung eingesetzt, bei dem die Luft angehalten wird und die Stabilität im Rumpf sich durch eine Erhöhung des intraabdominellen Druckes (IAD) steigern soll. Es ist bekannt, dass dieser Druckaufbau im Bauchraum zu einer kurzzeitigen Erhöhung des Blutdruckes führt, weshalb kardio-vaskuläre Vorerkrankungen zu berücksichtigen sind (Blazek et al. 2019). Eine Erhöhung des IAD kann im Bauchraum weitere Strukturen schädigen. Eine Berücksichtigung weiterer Risikofaktoren und Vorerkrankungen findet in Therapie und Training noch nicht ausreichend statt. Inkontinenz durch Krafttraining 24 - 45 % aller Frauen leiden unter Harninkontinenz (Tran et al. 2023), bei Männern sind es immerhin halb so viele betroffen. An kombinierter Harn- und Stuhlinkontinenz leiden 10 % aller Frauen und 5- 6 % aller Männer, wobei die Zahlen im Alter deutlich steigen. Genaue Zahlen für die Häufigkeit von analer Inkontinenz und Analprolapsen liegen nicht vor, weil aus Scham nur wenige Betroffene ärztliche Hilfe suchen. Eine Studie bei männlichen und weiblichen Gewichthebern zeigt, dass die Prävalenz von Beckenbodendysfunktionen aller Art in diesem Bereich hoch ist, allgemein sind sie im professionellen Sportbereich weit verbreitet. Angehaltener Atem und gezielte Druckerhöhung durch Bracing belasten Beckenboden und Beckenorgane und tragen zur Entstehung von Inkontinenz und Organsenkungen bei oder können diese verstärken. (Skaug et al. 2022) In Therapie und Training ist ein Trainieren abseits des maximalen Krafteinsatzes ausreichend und effektiv, um Kraftaufbau und Belastungssteigerung zu erreichen. Eine gute Integration von Beckenboden- und tiefer Bauchmuskulatur erhöht die Stabilität im Rumpfbereich (Pool-Goudzwaard et al. 2004), schützt Beckenboden und Organe und sollte Teil jedes Trainings sein. Ein gesunder Beckenboden hat die Aufgabe automatisch auf erhöhten IAD zu reagieren, was er allerdings nur bis zu einem gewissen Grad kann, wie zahlreiche Studien an Athletinnen zeigen (Ludviksdottir et al. 2018, de Mattos Lourenco et al. 2018). Bei bereits bestehender Dysfunktion, kann der Beckenboden häufig nicht ausreichend automatisch reagieren, was noch schneller zu einer vermehrten Belastung der Strukturen beiträgt und in Sport und Training berücksichtigt werden sollte. Schlussfolgerung: Die Gefahren von Beckenbodendysfunktionen wie Senkung und Inkontinenz werden unterschätzt. Es ist zu wünschen, dass eine Sensibilisierung für Beckenbodendysfunktionen stattfindet. Mein Wunsch ist, dass Beckenbodendysfunktionen bereits in der Anamnese, insbesondere bei Frauen, die geboren haben, berücksichtigt werden. Im Therapie- und Trainingsbereich sollte auf eine ausreichende Aktivierung der Beckenbodenmuskulatur geachtet und eine IAD möglichst vermieden wird. Krafttraining abseits von Leistungssport ist auch ohne Valsalva-Atmung möglich und effektiv und selbst im Profisport muss zum Schutz der Sportler*innen ein Umdenken und Integrieren der Beckenbodenmuskulatur stattfinden, um langfristige Folgebeschwerden und Erkrankungen zu vermeiden. (Sorrigueta-Hernández et al. 2020)Referent:
Lucia Sollik
AG GGUP von PHYSIO-DEUTSCHLAND